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Ortsweine – so schmecken Ruppertsberg, Wachenheim und Forst

Wachenheim   |  23. Juni 2023

Weingut Bürklin-Wolf

Zu dieser Reportage inspirierten mich zwei Instagram-Posts des Weinguts Bürklin-Wolf, in denen es seine Freude über die 92- bzw. 93 Punkte-Auszeichnung seiner Village-Rieslinge Wachenheim und Ruppertsberg zum Ausdruck brachte. Die Spezies „Ortsweine“ habe ich schon länger auf meiner Interessiert-mich-Liste. So zieht es mich an einem sonnig-heißen Freitagnachmittag nach Wachenheim in die Vinothek am Englischen Garten.

Vinothek

In der stilvollen, ehrwürdigen Vinothek treffe ich auf einen jungen Mann. Ich erzähle ihm von meinem Anliegen, am Beispiel der ausgezeichneten Weine tiefer in die Welt der Ortsweine eindringen zu wollen.

 

Und für diejenigen, die Bürklin-Wolf nicht kennen, ergänze ich kurz, dass ich mich – der Betreiber eines (noch) kleinen Weinstraßen-Insta-Kanals – in diesem Moment in einem der weltweit renommiertesten pfälzischen Weingüter befinde, einem Rolls Royce der Weinszene.

 

„Nehmen Sie doch da vorne an dem Tisch Platz“, fordert mich der Mitarbeiter auf und zeigt auf einen schattigen Tisch auf der Terrasse, „ich komme gleich zu Ihnen“. Und: „Möchten Sie etwas trinken, ein Wasser?“ Ja, gerne, draußen herrschen 27 Grad. Schnell steht eine Flasche kühles Gerolsteiner bereit.

Blick in den Garten

Ich genieße den Blick auf den weitläufigen, akkurat angelegten Garten mit vielen Sitzgelegenheiten und Liegestühlen. Mehrere Kinder mit ihren engagierten Müttern vergnügen sich auf dem Spielplatz, ein älteres Paar, sie mit hellem Sonnenhut, sitzt bilderbuchmäßig an einem Tisch. Die Gäste genießen die Ruhe, den wehenden Sommerwind, der die Sträucher und Bäume rauschen und die Haut ein wenig abkühlen lässt.

 

Völlig entspannt gesellt sich der Mann zu mir an den Tisch. Ich frage und erfahre, er heißt Riccardo Korner, ist der Leiter der Vinothek. Er beginnt zu erzählen, von der Geschichte, der Philosophie, der Verantwortung und den anspruchsvollen Qualitätsmerkmalen des seit über 400 Jahre bestehenden Weinguts. So habe man 1994 die burgundische Klassifizierung eingeführt, zu denen als eine Kategorie die Ortsweile gehören, bei Bürklin-Wolf als „Appellation Village“ bezeichnet.

Riccardo Korner

 

Zwischendurch verschwindet der Vinothekar immer wieder mal für wenige Minuten, um sich um die Gäste zu kümmern. Er kommt zurück, mit zwei Gläsern und einer Flasche 2021er Village Riesling Ruppertsberg. Während er zu Erzählen beginnt, schenkt er ganz nebenbei einen kleinen Schluck in die beiden bauchigen Gläser, schwenkt den Wein: „Ich habe Burgundergläser genommen, damit der Wein schneller Luft bekommt und sich entfalten kann.“

 

Wie setzt sich dieser Ruppertsberger Village zusammen? Gibt es eine bestimmte Mischformel?

Riccardo Korner erklärt mir, dass Bürklin-Wolf für seine Ortsweine ausschließlich Trauben aus den Ersten und Großen Lagen verwendet. Dabei spielen zwei Aspekte eine Rolle. Wenn das Weingut einen neuen Weinberg bepflanzt, der zu den Spitzenlagen zählt, dann werden die Trauben erst nach zehn Jahren für die Lagenweine verwendet. Davor kommen die Trauben in den Village-Wein. Bei den älteren Reben führt Bürklin-Wolf eine so genannte Vorlese durch. Dabei gehen die Erntehelfer etwa acht bis zehn Tage vor der eigentlichen Ernte die Rebstöcke durch und dünnen sie noch einmal aus. Die allerbesten Trauben, die das Zeug zum Spitzenwein haben, bleiben hängen und erhalten die optimale Reifechance. Die übrigen (besten) Trauben werden für die Herstellung der Village-Rieslinge gelesen.

 

Konkret: Der Ruppertsberger Village besteht zur Hälfte aus Trauben aus der Bürklin´schen Monopollage Gaisböhl. Die andere Hälfte deckt sich aus dem Lesegut der Lagen Hoheburg und Reiterpfad. Alles wohlklingende Namen. Die Rezeptur kann sich jährlich ändern, das hängt davon ab, in welchen Lagen Village-Trauben gelesen werden.

Riccardo Korner

Wie schmeckt Ruppertsberg? Riccardo Korner lässt den Wein im Mund wandern und lässt mich an seinem Aromaerlebnis teilhaben: fruchtig, zugänglich, saftig, würzig, nicht so harte Säure, man merkt, dass Ruppertsberg mehr Löss und Lehm hat, das ist gut für den Wasserhaushalt. Und der Jahrgang 2021 kommt gut durch; geradlinig, präzise und sehr frisch.

 

Der Vinotheksleiter macht auf mich einen hochprofessionellen Eindruck. Riccardo Korner erzählt sachlich, mit vertrauensvoller Stimme, erklärt fundiert. Nimmt sich Zeit und zeigt mir mit seinen Formulierungen, wie eng er sich mit dem Weingut verbunden fühlt. Stets ein „Wir“, kaum ein „Ich“. Auch seine Bio ist spannend. Er stammt aus Brandenburg, südlich von Berlin. Machte als junger Mann 2012 ein Praktikum bei Bürklin-Wolf, danach mit 17 das Abi und zog mit 18 nach Wachenheim, um eine klassische Ausbildung als Winzer zu beginnen. Später folgte ein duales Studium und heute ist er ein wichtiger Teil des Weinguts von Bettina Bürklin-von Guradze.

 

Die Ortswein-Reise geht weiter mit dem 2021er Village Riesling Wachenheim. In Wachenheim verfügt das Weingut über fünf Toplagen, aus denen sich die Village-Rieslinge zusammensetzen können.

Riccardo Korner

Wie schmeckt Wachenheim? Der Experte zelebriert wieder den Geschmackstest. Wie er mir erklärt, seien die Böden in Wachenheim sandiger und das Gestein sehr viel komplexer als in Ruppertsberg. Das komme zum Beispiel von der Lage „Gerümpel“, in der wegen der unmittelbaren Nähe zum „Pechstein“ ebenfalls Basalt vorweisen kann oder von der Lage „Böhlig“ mit einer Menge Kalk. Daher schmeckt für ihn der Village zitrischer, deutlich karger und salziger.

 

Ich erlaube mir die Frage zu stellen, wieso der Forster Village keine Auszeichnung erhalten hat, wo doch der Ort damit wirbt, die besten Weinlagen der Pfalz zu haben. Auch hier hat der Vinotheksleiter eine einleuchtende Erklärung: Diesen Village haben wir nicht zur Bewertung eingereicht. Er ist recht begehrt und daher meist schnell vergriffen. Sagt´s und ist kurz verschwunden, um mit einer Flasche 2022er Village Riesling Forst zurückzukehren. Er weiß eben, wo die begehrten Flaschen stehen. Und es ist edler Tropfen.

 

Bürklin-Wolf bewirtschaftet in Forst ausschließlich Gran Cru-Lagen. Dazu kommt das Vulkangestein, das es einzigartiger Weise nur in Forst gibt. Diese Kombination macht diesen Forster Village so besonders. Er besteht zu 60 % aus Pechstein und zu 40 % aus Jesuitengarten. Hier kommt Riccardo Korner wieder auf die Ausgangserklärung zurück: Bürklin-Wolf hat seine Parzelle im Jesuitengarten 2015 neu bepflanzt. Da die 10 Jahre, die das Weingut den Reben Zeit lässt, um sie dann erst als Lagenwein zu lesen, noch nicht erreicht sind, profitiert der Village von den dortigen Premiumtrauben. Er reift zur Hälfte im Stahltank und zur Hälfte im großen Holzfass.

 

Ganz laienhaft füge ich die Frage dazwischen, ob sich die Super-Lagen nicht „böse“ sind, wenn sie für einen Village „gemischt“ werden? Nein, beruhigt mich Riccardo, im Gegenteil, sie ergänzen sich, der Wein wird noch komplexer.

Riccardo Korner Forster Riesling

Und wie schmeckt der Forster Village? „Den haben wir erst vor drei Wochen abgefüllt, daher ist er noch sehr präsent und saftig. Der sollte gut noch ein paar Jahre in der Flasche liegen“.

Das ist ein Stichwort für ein Thema, das Riccardo Korner ganz offensichtlich am Herzen liegt. Die Lagerung der Weine. Denn ich frage nach, ob die Weißweine entgegen früherer Gepflogenheiten nicht besser jung getrunken werden. Diesem Trend möchte sich Bürklin-Wolf nicht unterordnen. „Unsere Weine sollten noch mindestens fünf Jahre in der Flasche reifen, eher sogar noch länger“, formuliert er den klaren Anspruch des Weinguts. „Wir übergeben die Weine an die Kunden in einem Stand, wo dies problemlos möglich ist“.

Riesling Reserve

Er muss wieder kurz an die Theke, und kommt mit dem Beweis für seine Theorie zurück. Das Belegstück heißt 2018er Village Riesling Wachenheim Reserve. Ich lerne, dass „Reserve“ in Deutschland kein geschützter Begriff ist für Weine, die die Winzer bewusst mehrere Jahre reifen lassen, üblicherweise mindestens zwei Jahre im Fass und ein Jahr in der Flasche. Bürklin-Wolf knüpfte 20213 an die uralte Tradition an, Rieslinge mehrere Jahre zu lagern.

  

Unser 2018er Wachenheimer lag vier Jahre lang auf der Voll- bzw. leichten Hefe, bevor er im Dezember 2022 abgefüllt wurde. Trotzdem ist er nicht schwerfällig. Ich nippe an meinem Glas und folge der Erklärung von Riccardo Korner: er ist deutlich cremiger, die Früchte schmecken reifer, er ist nachhaltiger im Geschmack, deutlich vollendeter als die jungen Village-Weine. Da kann ich überall einen Haken dran machen. Selbst ich als Nicht-diplomierter Weintrinker erkenne den Unterschied.

 

Eine Frage habe ich noch an den Vinothekar: „Kann man sagen, dass bei einem Ortswein die Rebensorte mehr im Fokus steht als bei Lagenweinen, wo eher die Mineralität herausgearbeitet wird?“ Ich bekomme ein klares „Nein“. Auch bei den Ortsweinen spielen drei Hauptaspekte der Weinerzeugung die wesentliche Rolle: Der Wein soll den Jahrgang widerspiegeln, das Terroir, also auch das Gestein, soll erkennbar sein und der Wein soll die Handschrift des Winzers tragen.

Altes Gutshaus mit der Vinothek

Während ich noch einige Fotos in der hübschen Gartenanlage mache, beginnt Riccardo Korner die Tische abzuräumen, denn eigentlich hat die Vinothek schon lange geschlossen. Doch Hektik kommt in diesem kleinen Paradies nicht auf.

Die probierten Village-Weine

Mein Fazit:

Bei Riccardo Korner im Weingut Bürklin-Wolf habe ich eine herausragende Lektion zu den Ortsweinen gelernt, natürlich am konkreten Beispiel der exklusiven Village-Rieslinge. Und ich muss es so klar sagen: Ich empfand es als eine außergewöhnliche Geste, dass sich der Leiter der Vinothek zwei Stunden lang so intensiv mit mir ausgetauscht hat. Immerhin bin ich kein Redakteur eines bedeutsamen Fachmagazins und auch kein Großkunde. Allein diese Tatsache spricht für die Leidenschaft, mit der Bürklin-Wolf Weinbau betreibt. Und noch etwas: Habe ich eigentlich erwähnt, wie herrlich der Englische Garten ist? Ein märchenhafter Ort, um einen wunderbaren Village-Wein zu genießen. 

 

 

Text und Fotos: Jürgen Cronauer