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Vom Rathaus zu Slevogt zur Burg

Leinsweiler  |  28. Oktober 2020

Eine Ortsbewanderung mit Kultur- und Weinbotschafterin Gudrun Stübinger-Kohls

Als ich aus dem Wagen steige, begrüßt mich meine heutige Begleiterin direkt mit der verschmitzten Frage: „Ich dachte, wir wollen uns Leinsweiler richtig ansehen und eine Wanderung machen?“. Ein schöner Empfang, denke ich, schaue an mir herunter: Jeans, Hemd und Samba-Sportschuhe. In meinem Kalender steht „Ortsbesichtigung“. Hätte ich die alpine Ausrüstung gebraucht? Lächelnd meint sie „Auf geht´s, wir haben noch einiges vor heute“. Zum Glück habe ich vor der Abfahrt noch die „leichten“ Wanderschuhe eingepackt. Aber außer meiner Fototasche kein Wandergepäck. Sie ist dagegen mit dem Alpenrucksack ausgestattet. Oh je, das kann ja heiter werden. Später, am Ende des Tages, ist mir dann klar, was zur Ausstattung der Kultur- und Weinbotschafterin gehört.

Ortskern mit historischem Rathaus

Der Parkplatz befindet sich direkt hinter dem historischen Rathaus. Mit seinem Fachwerk und der Arkadenhalle ist das 1619er Gebäude ein markanter Blickfang in dem als Denkmalzone ausgewiesenen Ortskern.

Brunnen vor dem Rathaus

„Schau mal, als kleines Kind habe ich in dem kleinen Becken gebadet“ erzählt Gudrun. „Aber nur in den kleinen Trögen, denn in dem großen schwammen Fische“. Das kann ich mir gut vorstellen, wie die Menschen in den letzten 400 Jahren an dem massiven Sandsteinbrunnen vor dem Rathaus mit Kannen ihr Wasser geholt haben, das Vieh getränkt wurde und die Kinder im Sommer in den Trögen badeten. Wir machen noch einen kurzen Abstecher zur Tourist-info in einem schmucken Renaissance-Anwesen (Hauptstr. 4), wo mich Gudrun den Mitarbeiterinnen vorstellt.

Weg zur Kirche
Kirche im Herbstlaub

So, nun kann die „Bergwanderung“ beginnen. Unser Weg führt hochwärts zur sehr idyllisch gelegenen Martins-Kirche. Während der Sommerzeit ist sie tagsüber geöffnet. Aber heute ist Oktober? Kein Problem, wenn man mit der pfiffigen Gudrun unterwegs ist. Sie zaubert den Schlüssel aus der Tasche, den sie sich vor unserem Treffen besorgt hat. Auf dem mit bunten Laub bestreuten Weg kommen wir zum Eingang. Gudrun weist mich auf die kleine Sonnenuhr (1596) neben der Pforte hin.

Kirche St. Martin
Kircheninnenraum mit Orgel

Das viele Holz macht den Kirchen-Innenraum gemütlich. Während der spätgotische Chor auf das Jahr 1490 zurückgeht, wurde das Schiff 1966 gründlich renoviert. Wie mir meine Begleiterin erzählt, war Leinsweiler sehr früh reformiert und damit von katholischen Gemeinden umgeben. Was die „toleranten“ Katholiken zu der Aussage verleitete „In Leinsweiler hast du keine Freunde“. Da war auch das Poussieren schwierig, weil Partnerschaften zwischen den beiden Konfessionen nicht geduldet wurden. Die hochwertige Klais-Orgel steht Parterre, was in Kirchen eher unüblich ist. Doch sie hat einen hervorragenden Klang, weshalb die Kirche gerne für Konzerte genutzt wird. Der bekannte Maler Max Slevogt hat in dieser Kirche 1898 Annie Finkler aus Godramstein geheiratet. „Nini“ stand oft Modell für Slevogts Bilder. Die beiden Kinder der Familie wurden 1907 bzw. 1908 hier getauft und später auch konfirmiert.

Zahlreiche Wanderwege führen nach Leinsweiler

Von der Kirche führt unser Weg auf einem gut zu laufenden, mit Betonplatten befestigten Weg nach oben Richtung Slevogthof. Diese Passage ist ein Teil des Slevogt-Rundwegs, der 2018 zu Ehren des 150. Geburtstags von Max Slevogt ausgewiesen wurden. Bis zum Slevogthof kann man tatsächlich auch mit dem Autofahren und den Wagen dort auf einem kleinen Parkplatz abstellen. Aber dann verpasst man Einiges aus der hübschen Vegetation. Apropos: „Sechs, zum Teil als „Premium“-Wanderwege ausgezeichnete Touren verlaufen durch Leinsweiler. Das spricht für eine besondere hübsche Umgebung, oder?“, fragt Gudrun stolz.

Alle Bäume sind bewusst gepflanzt

Die Kultur- und Weinbotschafterin zeigt mir verschiedene, für Leinsweiler typische Bäume wie Mandel-, Kastanien-, Weiden- oder Nussbäume und erklärt mir ausführlich, warum die Bäume von den Winzern in den Weinorten am Hang des Pfälzerwaldes bewusst gepflanzt und wie sie genutzt wurden. Mandelbäume z. B. haben die Winzer bevorzugt in den Wingerten gepflanzt, weil sie nicht so viel Sonne wegnehmen. Und die Mandelkerne waren früher eine der wenigen Naschereien, die es auf dem Land gab und schließlich brauchte man die Mandeln für das Weihnachtsgebäck. Und ich bekomme noch eine weitere spannende Lehrstunde in Biologie. „Denn früher“, so Gudrun „haben die Mandelbäume in ihrer reinen Form weiß geblüht. Erst durch die Kreuzung z. B. mit Pfirsichbäumen entstand die rosafarbene Blüte, die heute im Frühling ein Markenzeichen für die Südpfalz ist.“ Die Weiden-Bäume waren wichtig, weil man deren feinen, elastischen Ruten für die Bindearbeiten in den Wingerten benötigte. Kastanienbäume hatten den Nutzen, dass man aus dem festen Holz die Pfähle zum Stützen der Reben herstellen und natürlich die Früchte, die „Keschde“, in der Küche verwenden konnte. Hm, sage ich mir, mit diesen Hintergrundinformationen ergibt die Vegetation einen Sinn.

Blick auf Leinsweiler

Die Aussicht über Leinsweiler ist an diesem angenehmen Herbsttag wunderbar. Zwischendurch muss ich immer wieder schmunzeln, wenn Gudrun von „Lääsweiler“ spricht, wie die Einheimischen ihren Ort nennen. Als großer Fan der pfälzischen Dialektvielfalt bin ich davon begeistert.

Lauschiges Plätzchen mit Aussicht
Gudrun ist immer gut für eine Überraschung

Wir erreichen eine kleine Oase mitten in den Reben, die mit hölzernen Liegestühlen und Tischgarnituren ausgestattet ist und die, so Gudrun, „zu jeder Jahreszeit eine herrliche Aussicht über Leinsweiler bietet“. Gleich sehe ich, warum Gudrun den alpinen Rucksack mitführt. Sie zaubert eine Flasche Kastanienlikör hervor und überrascht mich mit zwei kleinen Marmeladengläsern, gefüllt mit gekochten „Keschde“. Das kulinarische Gedeck schmeckt in der passenden Umgebung super lecker. Und deshalb ist Gudrun auch eine Premium-Organisatorin.

Herbst rund um Leinsweiler

Während wir uns an dem bunten Panorama sattsehen, vermittelt mir Gudrun Stübinger-Kohls einige Infos zum Weinbau in Leinsweiler. 79 ha Rebfläche sind auf der Gemarkung zu finden. Sechs Haupterwerbswinzer gibt es derzeit, bei denen jeweils zwei Generationen im Weingut arbeiten.  Das Weingut Siegrist gehört zum Verband der Prädikatsweingüter (VDP).

Slevogthof

Wir müssen uns losreißen, um unsere Tour fortzusetzen. Das nächste Ziel ist der berühmte „Slevogthof“, von weitem an dem weißen, mit Zinnen bekrönten Turm zu erkennen. Hier residierte und arbeitete der Impressionist, der auch als Illustrator (u.a. der Lederstrumpfbücher) und als Bühnenbildner erfolgreich war. Max Slevogt (1868 geboren) erwarb 1914 das Gut Neukastell. Hier starb er 1932 und ist nahe dem Gutshof begraben. Derzeit liegt der „Slevogthof“ etwas im Dornröschenschlaf, dringende Renovierungen lassen auf sich warten.

Infotafeln am Slevogt-Weg

Am „Slevogthof“ bessern wir an mehreren Infotafeln unser Wissen über Slevogt auf. Mit der „Slevogtweg-Markierung“ setzen wir unsere Wanderung fort. Immer wieder entdecken wir Tafeln zu Slevogts Werk, unter anderem an den Stellen, an denen jeweils eines seiner berühmten Bilder entstanden ist.

 

An ihren inbrünstigen Erzählungen über den Maler erkenne ich, wie intensiv sich Gudrun mit dem früheren Leinsweilerer Bürger beschäftigt hat. Ich frage sie, wie sie Max Slevogt aus ihrer Sicht charakterisieren würde. Nach ihrer Erkenntnis war er ein Genussmensch, er mochte Zigarren und als Jäger heimisches Wild. Er hat seine Wahlheimat geliebt und sagt einmal: „Wer sich erst einmal in die Pfalz vergafft hat, ist schon im höchsten Sinne Pfälzer“. Er mochte die Natur, gutes Essen und trank gerne mal einen Wein, hat sich also zu einem typischen Pfälzer entwickelt.

Markierung Slevogtweg
Ehemaliger Treppenaufgang zur Burg

Wir kommen bald zu der Burgruine Neukastel bzw. zu dem Felsen, auf dem sie einst gestanden hat. Von der Burg ist so gut wie nichts mehr zu sehen. Nur Relikte, die von einem äußeren Treppenaufgang stammen müssen.

Aussicht von Burgfelsen

Die Aussicht auf dem „Felsen“ ist der Waaaahnsinn. Jeder Schritt hierauf hat sich gelohnt, um auf dem Felsen eine traumhafte Aussicht genießen zu dürfen. Ich bin schwer beeindruckt. Schade, dass wir nicht schon eine Stunde früher da waren, als die Sonne noch über den Weinbergen strahlte, dann hätte ich wohl weinen müssen beim Anblick einer solchen paradiesischen Landschaft.

Aussicht vom Burgfelsen
Gudrun, die fachkundige und charmante Begleiterin

Schweren Herzens machen wir uns auf den Rückweg, erzählen über die vielen Eindrücke des heutigen Tages. Gudrun ist überzeugt: Der Slevogt-Wanderweg ist einer der schönsten Rundwege an der Weinstraße. Die Kombination von dem malerischen Winzerort, den Reben und Bäumen, der Anstieg in den Pfälzerwald durch die Weinberge, die Stationen wie „Slevogthof“ oder die Ruine Neukastel und die unzähligen Punkte mit einer fantastischen Aussicht machen seinen Reiz aus. Wir haben heute zwar nur einen Teil des Rundwegs absolviert, aber ich ahne, dass Gudrun recht hat und nehme mir vor, demnächst den gesamten Weg zu erwandern.

 

Jedoch muss man dran denken, sich ein Picknick mitzunehmen. Denn außer im Ort selbst finden die Wanderer unterwegs keine Einkehrmöglichkeit, dafür aber eine Menge toller, aussichtsreicher Standorte für eine Riesling-Schorle.

Fabian Stübinger

Zum Abendessen geht es zu Gudruns Bruder Gunter, der in seinem Weingut in der Trifelsstraße die Weinstube „Zum Kirchhölzel“ betreibt. Wir sitzen urgemütlich im früheren Gewölbekeller. Das Essen ist prima, der hauseigene Wein ebenfalls. Gudruns Neffe Fabian kommt an den Tisch, um „Hallo“ zu sagen. Er bietet an, mir die Räume des Weinguts zu zeigen. Wir laufen den Weg „Vom Anhänger ins Fass“. Das heißt, es handelt sich hier um einen typischen Winzerbetrieb, der in den Hang hingebaut wurde. Der gesamte Betrieb ist so angelegt, dass man die physikalische Schwerkraft nutzen kann. Auf der obersten Ebene werden die Trauben vom Anhänger in einen großen Trichter geschüttet und fallen von dort in die Presse, die ein Stockwerk tiefer steht. Aus der Presse läuft der Traubensaft durch die Schläuche in die wiederum ein Stockwerk tiefer aufgebauten Tanks. Clever. Fabian, der zu den Top-Jungwinzern der Pfalz gehört, stellt mir das Wein- und Sektsortiment. Besonders stolz ist er auf den Gin, den sein Vater Gunter Stübinger kreiert hat. Eine besondere Zugabe sind Kastanienblüten aus dem Leinsweilerer Wald. Auf die Frage, welcher Wein für Leinsweiler typisch ist, nennt mir Fabian den Spätburgunder, der bereits seit 1238 in Leinsweiler angebaut wird.

 

So klingt der eindrucksvolle Nachmittag in Leinsweiler aus. Mit kleinem Gepäck bin ich angereist, mit einem großen Paket an wunderbaren Eindrücken und Fotos kehre ich nach Hause zurück.

 

Wer eine Erlebnis-Tour mit Gudrun buchen möchte: www.pfaelzer-verfuehrungen.de