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Historische Villen, Wirtshausschilder, Madonnen und der Wein

Maikammer  |  20. Juli 2020

Unterwegs mit Matthias Dreyer in Maikammer

Weinstraße Nord

Seit dem zweistündigen Ortsrundgang mit Matthias Dreyer habe ich ein völlig anderes Bild von Maikammer. Bekannterweise gehört die Gemeinde zu den reizvollen Winzerorten an der Weinstraße und sie hat die höchste Dichte an Weingütern in der Region. Doch erst mit den gezielten Infos eines versierten Einheimischen erkenne ich die vielen Besonderheiten und Details in den engen Straßen von Maikammer.

 

Wir treffen uns auf dem Parkdeck an der Verbandsgemeinde, wo man für wenig Geld lange parken kann. Matthias Dreyer wohnt seit 1989 in Maikammer. Er ist studierter Stadtplaner, was ich bei unserem Spaziergang durch Maikammer immer wieder merke. Er hat nämlich ein Auge für architektonische Besonderheiten. Dass er die dazu gehörigen Jahreszahlen und Hintergrundgeschichten sofort analog abrufen kann, hat mit seinem Hobby zu tun. Er gehört nämlich dem „Club Sellemols“ an, einer ehrenamtlichen Gruppe von historisch interessierten Bürgern in Maikammer und Alsterweiler, die sich sehr engagiert um die Historie des Ortes kümmern.

 

Weinstraße Süd

Vom Parkdeck aus sind es nur etwa 100 Meter bis zur Weinstraße Süd. Von hier ziehen wir gemütlich gen Norden. Unser erstes Objekt mit der Hausnummer 24 ist das Geburtshaus von Jakob Freiherr von Hartmann, der 1795 hier zur Welt kam. Maikammer ist stolz auf den Mann, der als einziger General der Welt die höchsten militärischen Orden von Frankreich, Bayern und Preußen erhielt. Sein Bruder Valentin, seines Zeichens ein Generalmajor, ist ebenfalls in dem Haus geboren. Nun weiß ich auch, warum es hier eine Hartmannstraße und auf dem Marktplatz eine überdimensionale Hartmann-Statue gibt. Wie die Inschrift über dem Torbogen erkennen lässt, ist das Haus 1730 erbaut worden.

Weinstraße Süd 24
Weinstraße Süd Nr. 8

Links: Weinstraße Süd Nr. 24 - Rechts: Weinstraße Süd Nr. 8

Gleich beim Gasthaus „Zum Winzer“ (Nr. 8) muss Dreyer mit mir über zwei Maikammerer Spezialitäten sprechen. Die eine sind die Wirtshausschilder oder allgemein auch Zunftschilder genannt. Ob es nur daran liegt, dass es mit der Familie Herrmann schon immer versierte Kunstschmiede im Ort gab, das weiß keiner so genau. Trotzdem sehe ich in Maikammer so auffällig viele kunstvoll geschmiedete Wirtshaus- und Weingutsschilder wie sonst nirgends in der Pfalz. Jedes ein filigranes Kunstwerk, das mehrere Meter über die Straße ragt. Das Gasthaus „Zum Winzer“, vor dem wir immer noch stehen, besitzt ein solches auffälliges Wirtshauschild. Es gehört zum Weingut Dengler-Seyler, was passé eine gute Voraussetzung ist für eine weinstraßentypische Einkehr, wenn in einem Weingut ein Gasthaus zu finden ist.

 

Die zweite Auffälligkeit, auf die mich Matthias Dreyer aufmerksam macht, sind die religiösen Statuen, wie auch eine in einer Ecknische des Gasthauses „Zum Winzer“ zu entdecken ist. Er erzählt mir von den zahlreichen Hausfiguren und Pietas, die in unterschiedlichsten Darstellungsformen in Maikammer die Fassaden zieren und von den wohlhabenden Bürgern, die im 18. Und 19. Jahrhundert Bildhauer beauftragt haben, die Häuser mit solchen Statuen zu verzieren. Wenn man es weiß und gezielt darauf achtet, kommt im Laufe unseres Rundgangs tatsächlich eine ordentliche Sammlung an Heiligen zusammen.

 

Bald erreichen wir den Marktplatz, der momentan neu hergerichtet wird. Auch hier das pompöse Wirthausschild „Zum Goldenen Ochsen“. Hätte mich Matthias Dreyer nicht darauf hingewiesen, wäre ich am durch die Bauabsperrung etwas vereinsamten „Schoppendenkmal“ vorbeigegangen. An diesem Stein finden wir also das Maß aller Dinge für uns Pfälzer: eine in Buntsandstein eingehauene Nische, in die exakt ein Schoppenglas hineinpasst. (Anmerkung: Bei der Umgestaltung des Marktplatzes ist das „Schoppendenkmal“ hinter das Bürgerhaus versetzt worden).

 

St. Martiner Straße

St. Martiner Straße

Wir machen einen Abstecher in die St. Martiner Straße. In der Ferne ist das wohl bekannteste Motiv Maikammers zu sehen: ein kleines Haus mit einer barocken Fachwerkfassade und davor ein Kruzifix.

Wir laufen aber nur bis zu dem auffälligen Gebäude mit der Nr. 6, denn alle außergewöhnlichen Anwesen in Maikammer zu studieren würde mehrere Stunden dauern.

Matthias Dreyer weiß auch über dieses Gebäude Nr. 6 eine Menge zu erzählen. Es war das Wohn- und Geschäftshaus von Anton und Franz Ullrich, den Erfindern der Klappmeters. Die Familie Ullrich muss man kennen, um Maikammer verstehen zu können. Sie betrieben in diesem Anwesen im 19. Jahrhundert einen Landhandel. Die Familie Ullrich hat zum einen mit dem Patent für die Federgelenke des Zollstocks, zum anderen aber auch mit der Herstellung von Emaile-Geschirr den Grundstock für die Entwicklung vom einfachen Landhandel zu wohlhabenden Fabrikanten gelegt. Und nun weiß ich auch die Plastik zu deuten, die ich am Ortseingang vorhin gesehen habe: Sie stellt einen Klappmeter dar, der daran erinnert, dass die Mechanik dieses Werkzeugs von Maikammer aus in die ganze Welt zog und bis heute beinahe unverändert bei den Zollstöcken angewandt wird. Um 1900 haben immerhin bis zu 500 Menschen bei den Emaillier- und Stanzwerken der Gebrüder Ullrich ihre Brötchen verdient.

St. Martiner Straße 6
Klappmeter-Denkmal

Das Haus der Familie Ullrich in der St. Martiner Straße 6. Sie erfanden die Federgelenke des Zollstocks (re. das Denkmal am Ortseingang)

 

Bleiben wir noch beim Haus Nummer 6. Auffällig wirkt das Gebäude durch den Erker, der sich, von einem Buntstandsteintisch gestützt, auf den Bürgersteig schiebt. Mir gefallen die blauen Holzklappläden. Über dem Torbogen ist die Jahreszahl 1667 eingemeißelt, was auf einen barocken Ursprung hinweisen könnte. Doch nach Erkenntnissen des Denkmalpflegeamtes, so Dreyer, handelt es sich im Kern um ein Renaissanceanwesen. Das ist an den sogenannten Ablaufvoluten (an den Fenstergesimsen des Erkers) noch gut zu erkennen. Auf einer Steintafel sind die Initialen „PH“ verewigt, die, so der Experte Dreyer, zu dem Erbauer gehören. Ich habe Glück, dass die beiden Parkplätze vor dem Haus gerade für einen Moment frei sind und ich so das komplette Gebäude vor die Linse nehmen kann. Ein beindruckendes Motiv.

 

Marktstraße

Wir kehren zurück zum Marktplatz und laufen geradeaus weiter in die Marktstraße, in der gewaltige Baumaschinen tiefe Löcher in die Erde graben. Von daher ist es nicht möglich, sich an der Baustelle vorbei zu mogeln. Aber wir sehen, was wir sehen wollen.

Marktstraße 5
Matthias Dreyer

Mit Matthias Dreyer an seinem Lieblingsgebäude in der Marktstraße 5

„Das ist mein Lieblingsgebäude in Maikammer“, erklärt mir Matthias Dreyer und gerät schnell ins Schwärmen. Es handelt sich um ein über 400 Jahre altes Renaissance-Haus, das um 1900 um einen Anbau erweitert wurde. Dreyer beschreibt mir die vielen Zier-Elemente wie Figuren, Reliefs, geschwungene Fensterumrahmungen, Pilaster und den schönen Torbogen, der sich an den Anbau anschließt. Ich kann mir in der Kürze gar nicht alles merken, was aber nicht dramatisch ist. Denn Matthias Dreyer gibt mir den entscheidenden Hinweis, dass ich die wichtigsten Gebäude, die wir uns heute ansehen, auch in der KuLaDig-App  bzw. KuLADig-Website finde und dort gerne nochmal nachlesen kann, (www.kuladig.de > Maikammer). Auch auf der Homepage des Maikammerer Vereins www.clubsellemols.de sind ausführliche Infos zu dem Anwesen zusammengestellt.

 

„Das Gebäude direkt gegenüber ist nicht weniger interessant“, lenkt Dreyer meinen Blick auf die andere Straßenseite. Auch bei diesem Haus mit der Nummer 6 liegt der Grundstock in der Renaissance und zeigt typische Merkmale dieser Bau-Epoche auf. Er deutet auf den rötlichen Sandstein über dem Erdgeschoß am rechten Rand der Fassade und zeigt mir eine steinerne Türumrahmung, die zu einem kleinen Laden führt und die Jahreszahl 1577 trägt.

Weinstraße Nord 23 an der Kirche

Um zur guten Stube der Gemeinde, dem Haus Rassiga, zu gelangen, müssen wir wegen der Baustelle einen kleinen Umweg nehmen. Dieser führt an der katholischen Kirche vorbei, die in ihrer heutigen Form 1757 fertig gestellt wurde und auf dem Infoschild als eine „weitläufige, barocke Saalanlage“ beschrieben wird. Und hier kommt wieder der erfahrene Stadtplaner zum Vorschein. Denn Matthias Dreyer führt mich an der Außenmauer entlang zum Grabmal der Ritter von Oberstein aus dem 16., frühen 17. Jahrhundert (siehe oben). Dreyer liest in den filigran behauenen Steinen wie aus einem Geschichtsbuch, erklärt die künstlerischen Besonderheiten und die familiären Verhältnisse der Adeligen. An dieser Stelle kann ich den Leserinnen und Lesern schon jetzt empfehlen, sich in Maikammer einer Ortsführung anzuschließen, um die unzähligen Details quer durch den Ort zu entdecken.

 

Die gute Stube

Das Haus Rassiga ist eine besondere Adresse in Maikammer. In der heutigen Marktstraße 8 ließ sich der damals reichste Mann in der Region um 1600 ein repräsentatives Renaissance-Wohnhaus bauen. Es wurde mehrfach renoviert. Die Gemeinde Maikammer hat das Haus 1984 erworben, auf dem Anwesen u.a. ein Bürgerhaus errichtet. Das Wohnzimmer ist in seiner Ausstattung aus dem 19. Jahrhundert noch sehr gut erhalten und gilt als einer der prächtigsten Räume an der Weinstraße, weshalb dort häufig standesamtliche Trauungen stattfinden. Mit seinen Torbögen, den Fachwerk-Geschoß und der Renaissancefassade mit dem getreppten Giebel zur Straße hin macht das Anwesen richtig was her.

Marktstraße - Haus Rassiga
Weinkammer im Haus Rassiga

Marktstraße 8 – Haus Rassiga, unter anderem mit der Vinothek „Weinkammer“

Wie mir Matthias Dreyer erzählt, kann man hier auch gemütlich bei einem Wein beisammensitzen. Denn 21 Winzer aus Maikammer haben sich zusammengetan und im Haus Rassiga die „Weinkammer“ Maikammer eingerichtet. Mit guter Beratung können die Gäste einen Querschnitt der örtlichen Weine verkosten (und natürlich kaufen) und eine Kleinigkeit dazu essen. Ich halte das für eine gute Idee. Ansonsten bekommt man in den Vinotheken entweder nur den Wein des Betreibers oder bei Winzergenossenschaften nur die Weine der Genossenschaft und nicht die typischen Weine der örtlichen Weingüter. Doch leider wird das Angebot der Weinkammer nicht in dem Umfang in Anspruch genommen, wie es aus wirtschaftlichen Aspekten für den Pächter erforderlich ist. Dabei ist es doch klasse, sich die guten Rieslinge, Weiß- und Grauburgunder aus Maikammer bei einem Besuch in der Ortsvinothek kredenzen zu lassen, ohne von Winzer zu Winzer pilgern zu müssen.

 

„Kommen Sie mal mit, ich zeige Ihnen noch was“, fordert mich Dreyer auf, ihm zu folgen. Er läuft durch den Hof, links am Bürgerhaus vorbei und wir kommen zu einem schönen Garten, der mit vier buchsumrandeten Rechtecken auf dem rückwärtigen Grundstück geometrisch angelegt ist. „Dieser Bereich ist ein beliebter Platz bei unserem Maifest, weil die Leute hier gemütlich und ruhig sitzen können“, verrät mir der Insider aus Maikammer. Wenn man den Garten sieht, kann man das gut nachvollziehen.

 

Weinstraße Nord

Wir ziehen weiter in die Weinstraße Nord, die am Marktplatz beginnt und noch viele Besonderheiten für mich bereithält.

Weinstraße Nord 6
Weinstraße Nord 33 - Lindeneck

Links: Weinstraße Nord Nr. 6 - Rechts: Weinstraße Nord Nr. 33 (Lindeneck)

An der Kurpfalz-Apotheke mit der Hausnummer 6 bleibt Matthias Dreyer stehen. Schon das markante, original wieder aufgebaute Haus ist eine Attraktion. Das i-Tüpfelchen ist die filigrane Rokoko-Madonnenfigur über der Hofeinfahrt. Sie gilt als älteste Statue der Immaculata in Maikammer und soll in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts von einem Bildhauer aus St. Martin erschaffen worden sein.

 

Die ehemalige Posthalterei (Nr. 33) ist eine weitere Perle in diesem Abschnitt der nördlichen Weinstraße. Das Haus ist bereits über 460 Jahre alt, wurde aber 1787 in die heutige Form umgebaut und 1913 um den Erker ergänzt. Mit dem noch erhaltenen Barocktorbogen links vom hellblau gestrichenen Haus und dem direkten Anbau des gelb gestrichenen heutigen Restaurants „Alt Maikammer“ ist das Ensemble ein echter Hingucker und ein häufiges Fotomotiv von Maikammer.

 

Apropos Barocktorbogen. Eine weitere Erkenntnis, die ich bei Matthias Dreyer gelernt habe, ist der Hinweis, dass die Torbogen ein typisches Merkmal der Weinstraße sind. Meist sind sie links und rechts auf dem Boden mit einem Schweller oder Poller geschützt, damit früher das Fuhrwerk oder heute der Traktor die Einfahrt nicht beschädigt. Und: Oftmals ist der noch erhaltene Torbogen älter als das eigentliche Wohngebäude. Ein sehr schönes Beispiel ist in der Marktstraße 17 zu sehen. In den Sturz über dem Bogen ist als Erbauer „Hans Barchen 1592“ eingemeißelt. „Renofiert“ wurde der Torbogen 1835 von Emanuel Graf. Im Hof ist ein Renaissanceportal zu bewundern.

 

Der Sprung in die Gründerzeit

Auf unserem weiteren Spaziergang führt die Weinstraße in einer Kurve nach links. „Hier ab der Hausnummer 41 beginnt der spätere, ab der Gründerzeit erbaute Teil von Maikammer“, lässt mich Matthias Dreyer wissen. „Sie sehen hier einen ganz anderen Bautypus, nämlich repräsentative, freistehende Anwesen“. Die Straße ist auch wesentlich breiter als die weinstraßentypischen engen Ortsdurchfahrten.

 

Aber was bedeutet eigentlich der oft verwendete Begriff „Gründerzeit“ oder „Gründerzeitvilla“? Es handelt sich hier weniger um einen architektonischen, sondern vielmehr um einen geschichtlichen bzw. wirtschaftsgeschichtlichen Begriff. Nach dem gewonnenen Krieg gegen Frankreich wurde 1871 das deutsche Kaiserreich gegründet. Durch die Reparationszahlungen der Franzosen und die zunehmende Industrialisierung setzte ein enormer Bauboom ein, wohlhabende Bürger ließen sich prachtvolle Villen erbauen. Obwohl sich die Gründerjahre eigentlich nur auf die ersten Jahre des Kaiserreichs beziehen, werden dem wirtschaftlichen Boom alle Prachtbauten zugeordnet, die in den Jahrzehnten nach 1870 entstanden.

 

Ein erstes gutes Beispiel des opulenten Bauens am Ende des 19. Jahrhunderts ist in der Weinstraße Nord 42 das so genannte Lindenschlössel. Das Gebäude fällt durch den balkonüberbauten Eingang und den wuchtigen, mehrgeschossigen Erker auf.

Weinstraße Nord 47 Villa Ullrich

Weinstraße Nord Nr. 47 - Villa Ullrich

In der Weinstraße Nord 47 begegnen wir erneut der Familie Ulrich. Zuerst treffen wir auf Kommerzienrat Anton Ullrich, den Besitzer der Emailfabrik, die „für den letzten russischen Zaren den berühmten „Zarenbecher“ herstellte“ – so der Hinweis auf der Infotafel. Die Gründerzeitvilla von 1894 mit den vier Ecktürmen beeindruckt mich sehr, ist spontan mein Favorit in Maikammer. Mit den meterhohen Sträuchern, dem prächtigen Hoftor und dem umlaufenden schmiedeeisernen Zaun stellt das Anwesen für mich ein Gesamt-Baukunstwerk dar. Ich versuche zu fantasieren, wie eine Fabrikantenfamilie vor 120 Jahren in diesen rot-gelben Buntsandsteinmauern gelebt haben mag. Gerne hätte ich mich damals zum Sonntagnachmittagskaffee bei Ullrichs einladen lassen.

 

Dort, wo die Weinstraße vor der Bahnhofstraße erneut scharf nach links abbiegt, ist wieder der Historiker gefragt. Denn ein gut drei Meter hohes Steinkruzifix nimmt die Hälfte des Bürgersteigs ein. Sowohl auf dem massiven Steinsockel als auch auf dem Kreuz sind Inschriften zu lesen. Wie Dreyer weiß, ist das Werk auf das Jahr 1732 datiert und eines der wichtigen Dokumente der früheren Frömmigkeit in Maikammer. Ich blicke nochmal zurück und sehe, dass die Villa Ullrich auch aus dieser seitlichen Perspektive im eigentlichen Sinne des Wortes ein wunderbares Bild abgibt. 

 

Nur ein paar Schritte weiter, Nummer 54, kommen wir zu Franz Ullrich, der die Emailfabrik mitbegründete. Er konnte 1887 in seine Sandstein-Villa einziehen, wo er mit seiner Frau Eva und den acht Kindern wohnte. Matthias Dreyer erläutert mir die verschiedenen Baustile, die im Historismus typischerweise gerne gemischt wurden: „Hier am seitlichen Haupteingang sieht man die Renaissance, hier am Dachansatz den Klassizismus, an anderen Stellen hat sich der Architekt an den Barock angelehnt.“ Das schmiedeeiserne Hoftor passt ebenfalls sehr schön ins Bild. Nur der opulente Park, der damals das Haus umgab, wurde irgendwann „profanisiert“ und für Bauplätze geopfert.

 

Bahnhofstraße

Wir gehen einen Teil der nördlichen Weinstraße zurück und biegen an dem oben beschriebenen Kreuz nach links in die Bahnhofstraße ein. Dreyer begründet die Route damit, dass hier ein paar Weingüter mit sehenswerten Gebäuden zu entdecken sind. Dazu gehört das Weingut Hubert Müller (Nr. 3), das schon von weitem an seinem „Zunftschild“ zu erkennen ist. Der Architekt hat hier mit langen Steinquadern ein einfaches Fachwerk imitiert.

Bahnhofstraße

Bahnhofstraße. Im Vordergrund das Weingut August Ziegler

Mit dem Nachbarhaus geht es weiter. Es ist in völlig anderen Stilformen erbaut, aber nicht weniger bemerkenswert. Im Erdgeschoß wurden große Buntsandsteinquader und Rundbogenfenster verwendet, im Obergeschoß kleine gelbe Backsteine und gerade Fensterrahmen. Eine interessante Mischung. Das schmiedeeiserne Schild kündigt an, dass hier das renommierte Weingut August Ziegler zu finden ist. Denn wenn ich mich mit Weinkennern unterhalte und nach ihren Empfehlungen für Maikammer frage, fallen am häufigsten August Ziegler in der Bahnhofstraße, Faubel in der Marktstraße 86 und Dengler-Seyler in der Weinstraße Süd, das Weingut, das wir ja ganz am Anfang der Tour schon kennengelernt haben.

 

Leider ist die Zeit schon weit fortgeschritten, wir treten langsam den Weg Richtung Parkplatz an. Matthias Dreyer ist es ein Anliegen, mir auf dem Weg in der Poststraße die protestantische Johanniskirche zu zeigen. „Trotz ihrer schlicht wirkenden Form ist sie in meinen Augen ein bauliches Juwel,“ erläutert Dreyer, „die Sandsteine kommen aus pfälzischen Steinbrüchen, sie besitzt herrliche Jugendstil-Glasfenster und eine wunderbare Orgel“. Statt eines Kreuzes grüßt von der Turmspitze Johannes der Täufer.

 

Eigentlich muss Dreyer schon bald zum nächsten Termin. Aber egal, für einen Abstecher zum mediterranen Garten muss die Zeit noch reichen. Er ist etwas versteckt an der Südseite der Verbandsgemeindeverwaltung in der Immengartenstaße 24 zu finden. Es wird schlagartig angenehm ruhiger, kein Eintrittsgeld. Unzählige südländische Pflanzen, Kräuter, Sträucher wie Lavendel oder Thymian sind dort angepflanzt, mehrere Bänke bieten Platz für eine erholsame Pause. Dieser Garten ist ein eindrucksvoller Nachweis für das besondere Klima an der deutschen Weinstraße.

 

Unser Rundgang endet am Parkhaus, ich werde spannende Eindrücke und viele neue Informationen aus Maikammer mitnehmen. Matthias Dreyer konnte mir natürlich nur die wichtigsten architektonischen Highlights im Maikammer zeigen, nun liegt es an mir, den Ort nochmal auf eigene Faust zu durchstöbern. Schließlich gibt es hier noch ein Highlight: Die Kapelle im Ortsteil Alsterweiler. Diese besuchen wir dann beim nächsten Mal.

 

©  Text und Fotos: Jürgen Cronauer