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In Bockenheim verwurzelt

Bockenheim  |  20. März 2021

 

Mit Winzer Jürgen Brand unterwegs zu seinem Lieblingsplatz

 

Der Ursprung dieser Begegnung liegt eine Generation zurück. Familie Brand hat über ihren Großvater seit Jahrzehnten Kontakte nach Leimen im Pfälzerwald – meinem Heimatort. Unter anderem fanden sie dort eine Familie, die ihren Wein im „weinfernen“ Leimen mit Erfolg verkaufte. So lernten meine Frau und ich vor über 25 Jahren den Dornfelder aus dem Weingut Brand kennen. Den gab´s bei meinen Eltern an Feier- und Geburtstagen. Meine Eltern sind beide verstorben, aber der Brand´sche Dornfelder ist nach wie vor der Lieblingswein meiner Frau Elke und hat bis heute bei einem guten Essen seinen festen Platz auf der Tafel.

Hat Bockenheim und den Wein ins Herz geschlossen: Winzer Jürgen Brand

Vor dem letzten Weihnachtsfest fuhr ich beim Weingut Brand vorbei, um Dornfelder-Nachschub einzukaufen. Dabei kam ich mit Jürgen Brand schnell ins Gespräch über Bockenheim und den Wein. Als ich mich als Autor eines geplanten Weinstraßenbuchs nach seinem Lieblingsplatz in Bockenheim erkundigte, verabredeten wir uns, diesen Platz im Frühjahr gemeinsam aufzusuchen.

 

Und heute, Frühlingsanfang, ist es soweit. Wir treffen uns im Weingut Brand und ziehen von dort aus los. Ich möchte mehr erfahren über die Arbeit eines Winzers in Bockenheim und über die schönsten Aussichten über die nördlichste Gemeinde an der Weinstraße.

 

Wir starten an der Weinstraße 7. Nach wenigen Minuten, über den Ballheimer Weg immer geradeaus bergan, erreichen wir das erste Plateau an der großen Weinlage „Sonnenberg“. Von hier aus erkennt man sehr schön die typische Topografie der Bockenheimer Weinberge: Zuerst ein steiler Anstieg, dann ein ebenes Stück und danach ein weiterer Hang usw.

 

Wie mir Jürgen Brand erklärt, liegen seine Weinberge im Halbkreis mit einem Radius von etwa 2 km rund um sein Weingut verteilt. Diese Splitterung und Verteilung ist aus mehreren Gründen wichtig. Zum einen hat man als Bockenheimer Winzer Hang- und Plateaulagen und damit unterschiedliche klimatische Verhältnisse. Je höher die Weinberge liegen, je mehr sie einem „Cool Climate“ ausgesetzt sind, je besser schützt sie der Wind vor Mehltau. Zum zweiten bietet die Verteilung einen Schutz bei Hagelgewittern. Der Hagelniederschlag erfolgt meistens punktuell, so dass normalerweise maximal 20 Prozent der Reben eines Weinguts betroffen sind und nicht die ganze Ernte zerstört wird. „2010 war der Hagel allerdings sehr heftig und hat rund die Hälfte des Ertrags des Weinguts Brand vernichtet“, erinnert sich der Winzer.

 

Positiv wie Jürgen Brand eingestellt ist, versucht er mit den Folgen des Klimawandels recht praktikabel umzugehen: „Die Trauben werden immer reif, man kann früher ernten und ist mit der Lese meist Ende September fertig. Der „goldene Oktober“ spielt für die Arbeit in den Weinbergen kaum noch eine Rolle. Wir sind vier bis sechs Wochen früher dran und haben bei uns nun das Klima wie in Südfrankreich vor 30 Jahren“, ist seine Erkenntnis.

 

Natürlich stellt er auch Nachteile fest. „Gefühlt nimmt die Zahl der Schlechtwetterereignisse zu. In den letzten Jahren mussten die Winzer fünf bis sechs Hagelgewitter überstehen“, erzählt er mir, „die Trockenperioden im Sommer werden immer länger. Allerdings bleiben die Hochdruckgebiete länger hängen und sorgen für eine stabilere Wetterlage.“

 

Ja und klar, im Sommer hat´s zu wenig Wasser. Aber auch hier sind die Winzer nicht hoffnungslos verloren. Rebstöcke, die älter als etwa sieben Jahre sind, wurzeln zwischen drei und sieben Metern in die Erde. Das reicht meistens, um dort Wasser zu erhalten. Jürgen Brand bewässert seine Rebstöcke nicht. Er möchte sie nicht von außen ans Wasser gewöhnen, sondern stressen, damit die Wurzeln dem Wasser entgegenwachsen.

 

Wir verweilen immer noch am ersten Stopp, der Blick streift über den „Sonnenberg“ hin zu einem Trullo. Das sind die spitz zulaufenden Weinberghäuschen, die aus Italien zu uns gekommen sind. Dort als kleiner Wohnraum, bei uns als Unterstand für die Arbeiter in den Weinbergen gebaut und gerne von den „Wingertschützen“ genutzt. Ich kenne Trullis von einer Rheinhessen-Tour mit meinem Wein- und Kultur-Wanderteam. Es gibt jedoch einen äußerlichen Unterschied. Denn die Trullis in Rheinhessen sind weiß verputzt, während sie hier in der Region naturbelassen sind, ja fast verwittert wirken.

 

Der „Wingertschütze“ hatte einst die Aufgabe, die Rebenstöcke vor Traubendieben und vor Vögeln zu schützen und setzte dafür bei Bedarf seine Schreckschusspistole ein. „Wenn sich eine Schar mit hunderttausend Staren über einen Weinberg hermacht, ist er innerhalb kürzester Zeit leergefressen“, erklärt Jürgen Brand und verrät mir, dass er es als seinen „Traumjob“ angesehen habe, als Rentner „Wingertschütze“ zu werden. Dieser zog von Winzer zu Winzer, bekam etwas zu trinken und konnte ein Schwätzchen halten. Doch den Job gibt es nicht mehr. Heute versucht man mit ferngesteuerten Schussanlagen die Stare durch den Knall zu verscheuchen.

 

Ich frage Jürgen Brand nach seinem Alter. Er ist im April 1960 geboren. „Aha“, sprudelt es bei mir heraus, „dann haben Sie den 60. auch in aller Stille gefeiert“. Ja, meint er, das war extrem schade. Er hatte schon an über 70 Freunde in ganz Deutschland das „Einladungsettiket“ als Flaschenpost verschickt und musste die große Feier dann wegen Corona absagen.

 

Winzer lernt man vor allem im Weinberg

Jürgen Brand ist ein echter Bockenheimer. Bereits seine Großeltern betrieben ein Weingut. Mit 14 stand für ihn fest, Winzer zu werden. So lernte er Techniker für Weinbau und Kellerwirtschaft in Bad Kreuznach. Mit 19 Jahren pachtete er eigene Weinberge, um parallel zum elterlichen Betrieb das Weingut zu erweitern und eigene Weine herstellen zu können. Seit 1995 arbeitet er vollständig ohne Herbizide und seit 2015 gehört Brand zu den Bioland-Betrieben mit sehr anspruchsvollen ökologischen Rahmenbedingungen.

 

„Winzer ist eigentlich viele Berufe. Du musst nicht überall eine Eins plus haben, aber schlechter als Zwei sollte man in keinem Zweig sein“, so sein Credo. Ein klasse „Gärtner“ im Weinberg zu sein reicht heute nicht mehr. Er habe früh erkannt, wie wichtig das Marketing und der Vertrieb für ein Weingut sind. Ein hervorragender Wein nützt nichts, wenn ich ihn nicht gewinnbringend verkaufen kann. Ein Grund, warum das Weingut Brand sehr früh in die Selbstvermarktung eingestiegen ist.

 

Wir erreichen einen Weinberg des Weinguts Brand, der am Schild mit der weißen Aufschrift „Bioland“ im grünen Rechteckt zu erkennen ist. „In diesem alten Gewürztraminerwingert im Sonnenberg haben wir vor zwei Jahren etwas ganz Neues ausprobiert“. Es geht um eine besondere Methode der Umveredelung aus Chile. Fünf Mexikaner und ein Franzose waren extra angereist. Die alten Rebenstöcke waren auf einer Höhe von etwa 30 Zentimetern über dem Boden abgesägt worden. In diese Stämme pflanzten die Experten Spätburgunderknospen ein. Die jungen Triebe wachsen nun auf einem tief verwurzelten Stamm weiter. Im Folgejahr wird der alte Stamm über dem jungen Trieb abgeschnitten. Damit erreicht man bei der Rebenumstellung einen Vorsprung von zwei Jahren. Und die Triebe sind zu weit über 90 Prozent angewachsen. Dies zeigt, dass man als Winzer nie stehen bleiben darf, sondern immer neue Wege gehen muss.

Jürgen Brand, ein Winzer mit innovativen Ideen

Wir erklimmen das zweite Plateau und betreten dort den „Pfälzer Weinsteig“, ein touristisches Aushängeschild für Wanderungen durch die Pfalz. „Für uns ist es prima, dass wir an den Weinsteig angebunden sind. Der Weg wird sehr gut frequentiert und bringt eine Menge Wanderer nach Bockenheim“. Mit uns meint Jürgen Brand stets Bockenheim, was die Verwurzelung in seiner Heimatgemeinde sehr deutlich werden lässt.

 

Tolle Aussicht vom Patriciawingert

Vor uns sehen wir den Patricia-Partnerschaftsweinberg, ein sehr beliebter Treffpunkt oberhalb von Bockenheim. Er wurde 2009 vom Kultur- und Verkehrsverein und den örtlichen Winzern angelegt zu Ehren der 70. Pfälzischen Weinkönigin Patricia Frank aus Bockenheim. Wer möchte, kann eine Patenschaft für einen Rebstock übernehmen und seinen eigenen Wein wachsen sehen. Die Aussicht ist phänomenal. Bockenheim mit seiner Geschichte liegt einem zu Füßen, der Blick reicht bis zum Odenwald und bis zur Bergstraße. Mannheim, Ludwigshafen und Worms sind gut zu erkennen. Kleine Tische und Sitzgelegenheiten laden zur Rast ein. Und in Nicht-Corona-Zeiten wird dieses herrliche Fleckchen Erde am Wochenende bewirtet.

Blick an einem Märztag vom Patriciawingert auf die Heiligenkirche und Bockenheim

Aber das ist noch nicht mein Lieblingsplatz, baut Brand die Spannung weiter auf. Dazu müssen wir noch ein Stück laufen. Die zahlreichen Windkrafträder rund um im Visier philosophieren wir über Nutzen und Unsinn der Energielieferanten. Die Diskussion ist intensiv, aber sehr sachlich, was für den Charakter von Jürgen Brand spricht, der auch dieses Thema – wie bei der Klimaveränderung – sehr vernunftorientiert anpackt: „Wo´s passt, kann man drüber reden. Ansonsten muss sich nicht alles dem Menschen unterordnen, sondern die Menschen müssen auch mit Demut und Achtung die Natur respektieren.“

 

Der Katzenstein – die Geschichte im Blick

Endlich sind wir am Ziel angelangt, dem Katzenstein. Ein gewaltiger Felsbrocken baut sich vor uns auf. Laut Beschilderung soll er in germanischer Zeit als Kult- und Opferstätte für den Donnergott „Donar“ gedient haben. Daneben ein Kirschbaum, an dem die Sprösslinge an diesem sonnigen, aber frischen Märztag zaghaft den Weg durch die Rinde finden und der im Sommer Schatten spendet. Davor eine Bank mit einer prächtigen Aussicht.

Am Katzenstein kann Jürgen Brand die Ruhe und die besondere Atmosphäre genießen

Klar, möchte ich nun von Jürgen Brand erfahren, was diese Stelle zu seinem Lieblingsplatz macht.

 

Die Begründung klingt überraschend philosophisch: „Es sind die über 2000 Jahre Geschichte unseres Ortes, die hier gegenwärtig sind. Hinter uns das Mystische, die Huldigung eines germanischen Gottes und vor uns der Blick auf vier Kirchen, also die Zuwendung zu einem neuen Gott. Die Namen der Weinlagen sind Teil unserer Geschichte, erinnern zum Beispiel an Klosterschenkungen. Der Findling hinter uns besteht aus Kalkstein, so wie der gesamte Berg. Deshalb sitze ich hier gerne, abseits des Trubels, und lasse Bockenheim auf mich wirken.“

Die Erfahrung macht´s

Im März 2021 befindet sich die Pfalz nach wie vor in der Coronapandemie. Jürgen Brand fehlen in dieser Zeit die Weinproben, die Kontakte zu den Menschen. „Ich habe schon immer sehr gerne Weinproben durchgeführt und im Laufe der Zeit Einiges dazu gelernt. Früher war ich mehr der Missionar, der alle Menschen zum Weintrinken bekehren wollte und alles recht fachlich erklärt hat. Mittlerweile weiß ich, dass es die Geschichten um den Wein sind, kleine Erkenntnisse, die hängen bleiben, was eine Weinprobe kurzweilig macht“.

 

Wir sind weiter unterwegs auf dem Pfälzer Weinsteig. Ich bin neugierig, was ein Winzer mit mehr als 40 Jahren Erfahrung zum Thema „Kundentreue“ sagen kann. Hier hat sich in der Tat sehr vieles verändert. Das Geschäft mit den Privatkunden sei schwieriger geworden. Früher sind die Stammkunden zwei Mal im Jahr in den Hof gefahren, haben den Kofferraum vollgeladen. Heute gestalten viele Menschen das Ganze als Einkaufsevent. Sie besuchen verschiedene Vinotheken, fahren von Ort zu Ort, um sich bei mehreren Winzern jeweils ihren dortigen Lieblingswein zu kaufen oder im Internet gut bewertete Weine zu testen. Trotzdem ist Jürgen Brand stolz, noch sehr viele treue Kunden zu haben, die teilweise seit Generationen in Bockenheim einkaufen. Und dann formuliert er einen Satz, der mich sehr berührt: „Wissen Sie, ich habe schon manches Mal an Heilig Abend die Augen geschlossen und daran gedacht, dass in diesem feierlichen Moment in über 2000 Haushalten in Deutschland ein Wein aus unserem Hause getrunken wird. Das ist ein gutes Gefühl, eine Bestätigung für die Arbeit, die man das Jahr über im Weingut geleistet hat und dafür, dass ich als Winzer einen sinnvollen Beruf habe.“

 

Die Zukunft

Wir sprechen zwischendurch immer wieder über die Zukunft des Weinguts und damit über die Söhne Daniel und Jonas, die beide eine fundierte Ausbildung im Weinbau absolviert haben. Sie haben sich komplett den Naturweinen und dem internationalen Vertrieb verschrieben.

 

Natürlich heißt in diesem Fall keine Einflussnahme mit Zutaten von außen, also kein Zucker, keine Hefe, kein Zusatz von Sulfiden, auch nicht beim Abfüllen in die Flaschen. Daher gilt das Prinzip: „Shake & Wait“. Natürliche Weine muss man vor dem Öffnen mehrmals schütteln bzw. umdrehen, um die Feinhefe in die Schwebe zu bringen. Danach eine halbe Stunde warten, bis man die Flasche öffnet.

 

International heißt bei den Brand Söhnen, dass sie sich ins Flugzeug gesetzt haben und in vielen Ländern wie Kanada, USA, ganz Skandinavien Restaurants, Köche, Sommeliers, Weinbars und Weinhändler besucht haben, um dort ihre Marke „Brand Bros“ vorzustellen. Über Zwischenhändler ist der Export schnell und gut angelaufen, so dass die „puren“ Weine aus Bockenheimer und der beliebte naturbelassene Perlwein „pet-nat“ (pet illant naturel) ihren Erfolgszug rund um die Welt angetreten haben. Diese Entwicklung war für unsere Familie in der Coronazeit ein großes Glück, lobt Brand das, was seine Söhne mit ihrer Leidenschaft erreicht haben.

 

„Welche Weine verbinden die Weintrinker in USA, Kanada und Skandinavien mit Deutschland?“, hake ich nach. Das sind nach Erfahrung der Brand Brothers erstaunlicherweise die klassischen Rebsorten wie Riesling, Müller-Thurgau sowie die Weiß- und Spätburgunder. Auch der leichte naturtrübe Perlwein „pet-nat“ (Silvaner und Weißburgunder) sei in vielen Ländern ein Renner.

 

Aber auch in den global denkenden Jungwinzern lebt die Familienseele. Denn ihre Oma Helga illustriert die Weinetiketten. Schließlich liegt das Talent in der Familie. Denn Brands Großvater war Bildhauer in Bockenheim. Jürgen Brand´s Lieblingsmotiv ist das Etikett auf dem Riesling pur, auf dem eine Frau zu sehen ist, die die Trauben in einem Bottich mit den Füßen stampft.


Was bedeutet der Einstieg der Söhne in das Weingut für ihn persönlich, möchte ich gerne von Jürgen Brand wissen. Darüber hat sich der bald 61-jährige schon Gedanken gemacht. Auf jeden Fall wird er seinen Söhnen den Raum lassen den sie brauchen, um ihre Ideen und ihre Marke Brand Bros weiter auszubauen. Er kann sich vorstellen, seine Arbeitszeit in absehbarer Zeit von etwa 70 Stunden auf gut 50 Stunden pro Woche zu reduzieren.

 

Man kennt sich in Bockenheim

Unterwegs laufen oder fahren immer wieder mal Leute an uns vorbei, die Jürgen Brand freundlich grüßt. Einen Mann mit großem Hund stellt er mir sogar vor: „Das ist Michael Hinz, der Inhaber vom Gasthaus Neuhäusel“. Der Grund dafür ist, dass ich Herrn Brand zu Beginn unserer Tour kurz die Inhalte des geplanten Buches über die Deutsche Weinstraße skizzierte und ihm auch erklärte, dass ich darin einige ausgewählte Restaurants in Bockenheim vorstellen werde. Ich nutze die Gelegenheit und erkundige mich, wie man die Küche im „Neuhäusel“ in einem Satz beschreiben kann. Zusammengefasst: Eine bodenständige, ehrliche, hochwertige pfälzische Küche. „Sehr lecker ist der Saumagen, den der Michael noch selbst macht mit einer köstlichen Füllung“, ergänzt Brand. Das nenne ich doch mal eine fundierte persönliche Empfehlung.

 

Vorbei an der Weinlage „Klosterschaffnerei“ führt uns der Weinsteig in den Ort zur Weinstraße. Diese erreichen wir zwischen dem Gasthaus Neuhäusel und der altehrwürdigen Mauer des ehemaligen Klostergeländes. Hier kann man sehr gut die Tour auf dem Weinsteig beginnen und – quasi umgekehrt wie wir heute gelaufen sind - über den Katzenstein, die Heiligenkirche und den Patriciawingert eine wunderbare Panoramarunde um Bockenheim drehen.

 

Entlang der Weinstraße spazieren wir zum Haus der Deutschen Weinstraße, das ja bekanntlich den nördlichen Startpunkt der Weinstraße markiert. Durch ein Tor in der Mauer betreten wir das alte Klostergelände, auf dem die bekannte Bockenheimer Weinlaube steht. Wie Brand berichtet, ist hier im Sommer und Herbst ordentlich was los. Sehr viele Wander-, Auto- und Motorradtouristen gönnen sich in dieser gemütlichen Atmosphäre ein Glas Wein. Allerdings hat man den Brunnen, der in vielen Prospekten als schönes Motiv des merowingischen Königshofs dargestellt wird, zum Bistrotisch umfunktioniert, was ich sehr schade finde.

Haus der Deutschen Weinstraße im Frühsommer

Kurz vor dem Haus der Deutschen Weinstraße bietet mir Jürgen Brand an, einen kurzen Abstecher zum neuen Besitzer des Anwesens zu machen. Ein spontanes Telefonat und zwei Minuten später treffen wir Ben Gaxherri. Über diesen Austausch würde sich eine eigene Geschichte lohnen. Auf jeden Fall habe ich schnell erkannt - und Jürgen Brand konnte das bestätigen - dass der neue Eigentümer enorm viel frischen Schwung in die herrliche Parklandschaft um den See und in das Restaurant gebracht hat. Seine Philosophie ist ganz einfach: „Ich möchte auf dem Gelände alles so gestalten, dass es mir selbst als Gast gefallen würde, mich hier aufzuhalten“. Auch die Vorgabe für sein Restaurantteam ist sensationell einfach: „Wir machen alles ganz normal“. Für ihn ist es normal, dass ein gelernter Koch mit regionalen Produkten gut kocht und dass eine Servicekraft die Gäste schnell und freundlich bedient. Dass das gelingt spricht sich in Bockenheim langsam herum.

 

Wir müssen uns von Ben losreisen, und setzen die Tour auf der Weinstraße fort bis zum Platz der Partnerschaft vor der Protestantischen Lambertskirche. Dort und auf unserem Weg um den Platz herum durch eine enge Gasse hoch zur katholischen Kirche sieht man mehrere Eingänge, die zu historischen Gewölbekellern führen. Sie wären ideal für die Lagerung von Sekt, meint Jürgen Brand, aber es wäre auch sehr mühsam, die Flaschen runter und hoch zu tragen.

 

Die katholische Kirche mit der berühmten Traubenmadonna ist leider verschlossen. Aber das ist nicht dramatisch. Über den Oberen Graben und den Anemonenweg, die etwas höher und parallel zur Weinstraße verlaufen, kehren wir zum Weingut zurück. Das ist übrigens ein Tipp der Familie Brand für ihre Übernachtungsgäste. Die Weinstraße ist nämlich an manchen Stellen gefährlich eng, und es brummen nicht wenige Autos und Lastwagen durch Bockenheim. Daher ist es wesentlich entspannter, eine der Parallelstraßen oberhalb oder unterhalb der Weinstraße zu nutzen.

 

Als kleines Resümee frage ich Jürgen Brand natürlich noch, was Bockenheim für ihn so einzigartig macht, was seinen Heimatort von anderen Gemeinden an der Weinstraße unterscheidet. Jürgen Brand: „Das Besondere an Bockenheim ist die Mischung aus lebenswerter Gemeinde mit guter Infrastruktur und mit einem zum Glück noch sanften Tourismus. Das heißt, man hat noch Zeit, sich um den einzelnen Kunden zu kümmern.“

 

Ein sympathischer, lehrreicher Rundgang

Unterwegs sagte mir Jürgen Brand, dass er sich mein Buch über Berlin besorgt hätte und es demnächst lesen wolle. Er kommt seit 30 Jahren regelmäßig dorthin, mag die Hauptstadt und hält Berlin - wie ich - für eine spannende, pulsierende Stadt, in der er immer wieder neue Dinge entdecken kann. Das passt irgendwie zu unserem Treffen heute: Der Bezug zu Leimen, das gleiche Geburtsjahr, der gleiche Vorname, die Vorliebe für Berlin und die Pfalz. Es ist kein Wunder, dass wir bei der Tour immer wieder spannenden Gesprächsstoffe gefunden haben und schließlich über drei Stunden unterwegs waren. Es war eine herrliche Gemarkungserkundung bei strahlend blauem Himmel und knackigen acht Grad Celsius.


Ich habe Jürgen Brand gebeten, mir drei Weine zusammenzustellen, die das Weingut Brand am besten repräsentieren. Es werden dann vier, weil Brand und Brand Bros ja zwei Linien sind.

 

Weingut Brand (traditionell)

 

Chardonnay trocken, 2019, passt hervorragend zu dem Kalksteinboden und entwickelt am Berg eine wunderbare Aromatik. Die Weinreben aus der Familie der Burgunder werden von Brand seit etwa 20 Jahren angebaut.

 

Cuvée Katharina. Diese Kreation besteht aus Cabernet Mitos und Spätburgunder und reift im großen Holzfass. Zu diesem Wein hat Jürgen Brand eine ganz persönliche Beziehung. Er ist benannt nach seiner Großmutter, die 97 Jahre alt wurde. An ihrem letzten Geburtstag im Jahr 2007 hat Jürgen Brand diesen Wein erstmals abgefüllt und ihr damit ein Denkmal gesetzt.

 

Junge Linie Brand Bros

 

Pet-nat. Der leichte Naturperlwein wird während der Gärung in Flaschen gefüllt, mit einem Kronkorken verschlossen und gärt darin zu Ende. Er ist im Ausland sehr erfolgreich.

 

Riesling pur. Ein im Ausland sehr beliebter pfälzischer Naturwein.