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Stadtrundgang mit einer Botschafterin

Bad Bergzabern  |  22. September 2020

> Bad Bergzabern

 

Um mich Bad Bergzabern zu nähern, habe ich Kontakt mit einer Kultur- und Weinbotschafterin für die Pfalz aufgenommen und sie für eine Stadtführung engagiert. Gudrun Stübinger-Kohls heißt die Dame, die uns in der Marktstraße lächelnd entgegenkommt. Wir, das sind meine Wein-, Kultur- und Wanderfreunde Wolfgang, Walter und Kuno. Wir sind für 13:30 Uhr am „Kaffeefleck“ in der Marktstraße 1 verabredet. Schon während der Vorstellungsrunde wird allen klar, dass die Chemie in diesem Quintett stimmt.

Kultur- und Weinbotschafterin Gudrun Stübinger-Kohls

Aufgrund unseres Treffpunkts an „Kaffeefleck“ mit eigener Rösterei kommen wir gleich auf die süße Seite der Kurstadt zu sprechen. Das „Kleine Herzog“ ist bekannt für seine leckeren Kuchenvariationen und das Hausgemachte auf der kleinen Speisekarte, bei der Manufaktur Rebmann, als „Trüffelshop“ im Internet, hat man die Wahl aus ungefähr 70 Pralinensorten und einem Programm mit Führungen und Events rund um die Praline.

 

Zu empfehlen ist auch ein Spaziergang durch den Kurpark, den wir heute nicht besuchen. Auf ruhigen Wegen vorbei an außergewöhnlichen Bäumen und Blumen. Erholsam. Die Gäste begegnen auch Sebastian Kneipp, der in Bad Bergzabern verweilte und sich zu seiner Wassertherapie zu der Aussage hinreißen ließ: „Hätte ich nicht in Wörishofen begonnen, hier hätte ich es tun müssen.“ Das nehmen wir mal als Kompliment und als Beleg dafür, dass die Stadt sehr gute Voraussetzungen für Kurgäste und deren Gesundheit zu bieten hat.

 

Unser Rundgang startet, wir wechseln die Straßenseite hinüber auf den Vorplatz der Martinskirche, gehen direkt zum Edith Stein-Denkmal. Wir tauchen kurz in das Leben der Frau ein, die 1891 in einer jüdischen Familie geboren und 1922 hier in der Martinskirche als 30-jährige katholisch getauft wurde. Ein Grund, warum viele religiöse Gruppen nach Bad Bergzabern kommen. Gudrun Stübinger-Kohls fordert jeden einzelnen von uns auf, auf dem durch Pflastersteine markierten Bogen um die Stele herum zu laufen und dabei der Statue immer in die Augen zu schauen. Wir sind fasziniert über den Clou des Künstlers David Moritz Lehr, denn die als Karmelitin dargestellte Edith Stein verfolgt uns mit ihrem Blick bei jedem Schritt. Wir kommen immer intensiver ins Thema und ertappen uns bald bei einer Grundsatzdiskussion über katholische und evangelische Kirche.

Vor der Martinskirche

Wir reißen und los und ziehen weiter an der Weinstraße entlang bis zum Gebäude des ehemaligen Bayerischen Amtsgerichts. „Wenn ich hier vorbeikomme, denke ich immer gerne an meinen Opa, wie er im Fernsehen die Serie Das königlich-bayerische Amtsgericht angeschaut hat“, verrät uns Frau Stübinger-Kohls. Diese Serie lief von 1969 bis 1972 im ZDF und gehörte, mangels weiterer Programme, auch zum Repertoire unserer Familie.

 

An der Fußgängerampel queren wir wieder die Straße und peilen unseren nächsten Punkt an, den Weinbrunnen vor der Sparkasse. Trotz des Verkehrslärms der Weinstraße zählt unsere Kulturbotschafterin das Kunstobjekt zu ihren Lieblingsstellen in Bad Bergzabern. Die kleine Maus auf dem Beckenrand verrät uns den Künstler: kein Geringerer als Gernot Rumpf. Er hat zahlreiche Brunnen in Orten entlang der Weinstraße geschaffen, wie zum Beispiel den Elwetritsche-Brunnen in Neustadt oder den Geißbock-Brunnen in Deidesheim. Zu den Tieren, die am Brunnen dargestellt sind, erzählt Gudrun Stübinger-Kohls eine Geschichte von Noah und dem Teufel mit der Quintessenz: Wer einen Krug Wein trinkt, wird fromm und zahm wie ein Lamm. Wer zwei trinkt, lustig wie ein Affe. Wer drei trinkt, stark und brüllend wie ein Löwe. Wer aber vier trinkt, der grunzt und wälzt sich wie ein Schwein.

 

Vom Brunnen ist es nicht weit bis zu dem freistehenden Glockenturm mit der doppelten Zwiebel-Turmspitze. An den verschiedenen Baustilen kann man seine besondere Geschichte gut erkennen. Angefangen haben wohl die Staufer, vermutet unsere Stadtführerin, was sie auf deren typischen Sandsteinquader zurückführt. War er nun zuerst ein Wehrturm, oder Kirchturm, ein Teil der Stadtmauer? So ganz genau weiß das niemand. Ein Schild rechts neben dem Turm versucht dem Besucher ein wenig Klarheit zu geben. Heute ist es jedenfalls der Glockenturm der Marktkirche, die seit ihrer Erbauung ab 1333 selbst einige spannende Epochen durchlebt hat - katholisch, protestantisch, simultan und jetzt wieder protestantisch. Unsere Gruppe ist schnell wieder im Thema Kirche, Frau Stübinger-Kohls berichtet uns von der Synagoge, die hier mal gestanden hat.

 

Schließlich komme ich wie so oft bei meinen Weinstraßenexkursionen an den Punkt „Wieder was dazugelernt“. Denn Die Wein- und Kulturbotschafterin erläutert uns, warum protestantische Winzer oder Landwirte oft wirtschaftlicher und erfolgreicher arbeiten konnten als katholische: Sie hatten weniger Kinder. Das hieß, dass in der Erbfolge der Protestanten die Wingerte oder Äcker nicht so häufig geteilt werden mussten und die Kinder auf größeren Flächen reichlichere Erträge erzielen konnten.

 

Und die charmante, sehr kompetente Dame erklärt uns auch woher die Redewendung „Schreib´ dir´s hinter die Ohren“ kommt. Woher? Das erfahren Sie, wenn sie demnächst mal eine Tour mit ihr durch Bad Bergzabern machen.

 

Die Neugasse

Gegenüber der Marktkirche beginnt die Neugasse. Dort wird es schlagartig ruhiger, bedächtiger, der Autolärm der Weinstraße wird gedimmt. Wir versammeln uns vor der Hausnummer 24, einem historischen Gebäude in der fränkischen Fachwerkbauweise. Wir diskutieren, wann realistisch betrachtet erstmals echte Fachwerkhäuser gebaut werden konnten. Wolfgang vermutet im 17. Jahrhundert.

 

Frau Stübinger-Kohls weist uns auf einige interessante Details hin. Wie zum Beispiel die kleinen Fensteröffnungen im Sockel des Hauses, durch die im Herbst die Feuchtigkeit des eingelagerten Gemüses und Brennholzes, vor allem aber die Gase des gärenden neuen Weines entweichen konnte. Das Erbauungsjahr auf dem Scheitel des Torbogens, dessen verschnörkelten Ziffern wir Laien natürlich nicht entziffern, können wir mit ihrer Hilfe auf 1615 datieren.

 

Wir zählen die Zunftzeichen auf, die wie hier gerne in den Wappenschildern an den Häusern dargestellt wurden. Das bekannteste ist wohl die Brezel für den Bäcker. In diesem Haus wohnte ein Winzer und Küfer, wie Kuno erkennt. Aber woran? Ich hätte das nicht gewusst. Doch auf diesen fragenden Blick ist unsere Stadtführerin vorbereitet. Aus ihrer Tasche zaubert sie ein Sesel hervor, ein Messer mit einer speziell geformten Klinge. Das sei das typische Werkzeug, das die Winzer an der Weinstraße früher immer bei sich trugen und das für viele Arbeiten im Wingert und im Garten genutzt werden konnte. Ok, nun kann auch ich das gemeißelte Winzersymbol auf dem Torbogen zuordnen. Denn das andere ist ein Küferhammer.

Der Sesel, ein typisches Winzerwerkzeug

Wir spazieren weiter auf der überwiegend gepflasterten Straße bis zum Haus Nummer 30, dort, wo die Straße im rechten Winkel nach links verläuft. Das Gebäude stammt ursprünglich aus dem Jahr 1580, wurde jüngst renoviert und steht nun prächtig da. Wie immer bei Fachwerk gibt es ein massiv gemauertes Erdgeschoß, auf das meistens erst viele Jahre später das Fachwerk aufgesetzt wurde. Die modernen Sprossenfenster, die alten grünen Holzklappläden, alles passt harmonisch zusammen. „Wenn Sie hier über das Hoftor schauen, sehen Sie da vorne den Storchenturm. Ein Teil der ehemaligen Stadtmauer“.

Unterwegs in der Neugasse (v. l.) Wolfgang, Gudrun Stübinger-Kohls, Walter und Kuno.

Schließich erreichen wir das Ende der Neugasse, sehen links von uns in der Marktstraße 48 das eingangs erwähnte „Kleine Herzog“, das am heutigen Dienstag leider Ruhetag hat.

 

Das Schloss

Wir queren das „Plätz´l“ und nehmen nach links die Torgasse. Und schon nach kurzem Weg baut sich vor uns in seiner ganzen Pracht das Wahrzeichen von Bad Bergzabern auf: das Schloss. Aus dieser Perspektive und mit den beiden wuchtigen Türmen wirkt es sehr beeindruckend. Warum der rechte Turm dicker ist als der linke, fragt uns Frau Stübinger-Kohls. Wir nähern uns der Antwort, die da lautet: Er war Teil der Außenbefestigung, seine Mauern sind bis zu 2,80 Meter dick. Auf einer Zeichnung erklärt sie uns, dass das Schloss damals von einem breiten Wassergraben umgeben war. Das hätten wir heute so nicht mehr ahnen können.

Das ehemalige Schloss, heute ein Wahrzeichen der Stadt

„Seit September 2020 heißt der Platz vor dem Schloss Herzogin-Karoline-Platz. Endlich“, freut sich die Stadtführerin. „Viele Jahre haben wir uns dafür eingesetzt sie zu würdigen. Denn 30 Jahre lang, bis 1774, wohnte sie als Witwe hier im Schloss.“

 

Links um das Schloss herum, am Schlagzeilenproduzierenden und Gemüter erregenden Schlosshotel vorbei, gelangen wir zur Westseite des Schlosses. Dort führt ein reichlich verziertes Tor in den Innenhof. Erneut blättert die Kulturbotschafterin eine Zeichnung in ihrem Ringbuch auf. „So hat das Tor vor der französischen Revolution ausgesehen. Alles, was an den Adel erinnerte, haben die Bürger mit Hammer und Meisel abgeschlagen wie die zwei Familienwappen im Giebel.“

Im Innenhof widmen wir uns dem gewaltigen, mehrstöckigen Treppenturm. Schräge Fenstergewänder, typisch Renaissance. Und dann der Aha-Effekt: Gudrun Stübinger-Kohls hat einen Chips für den Treppenturm. Wir betreten den Innenraum. Die freitragende Wendeltreppe, die samt Geländer aus einem Naturstein gehauen ist, fasziniert uns. Welch kluge Köpfe haben das geplant, welch außergewöhnliche Handwerker das gehauen? Wahnsinn. Ich kann die Botschafterin gewinnen, am Geländer zu posieren. Ein schönes Foto. Überhaupt ist sie sehr offen für Fotowünsche, ist mit ihrem Hut und ihrem gewinnenden Lächeln auf jedem Foto der Hingucker schlechthin.

 

Wir werden aufgefordert, uns nacheinander rücklings an das Geländer zu lehnen und kerzengerade nach oben zu schauen. Wir haben einen fantastischen Blick auf die Treppe, wie sie sich über mehrere Etagen nach oben windet. Hier ist das menschliche Auge schärfer als die Linse im Fotoapparat. Danke, verehrte Gudrun, für diesen schönen Moment.

 

Die Tour führt weiter durch die Schlossgasse nach Westen bis zur Königsstraße. Wir erreichen den „Engel“, wie die Bergzaberner das Renaissancegebäude nennen. Es ist das oder eines der schönsten in der Pfalz und, wie das Schloss, auf Pfählen erbaut. Was jedoch die rot-weiß gestreiften Klappläden mit der Renaissance zu tun haben, das ist eine Frage, die sich selbst Frau Stübinger-Kohls schon gestellt hat. Das „Gasthaus zum Engel“, das seit ewig im unteren Stockwerk untergebracht war, ist geschlossen. Der Brandschutz. Ich versuche mich fotografisch an dem ausladenden Wirtshauschild, kämpfe gegen die tiefstehende Sonne, erfahre, dass es nicht mehr das Original ist, aber eine originalgetreue Nachbildung.

 

Die Bergkirche

Wir ziehen weiter, biegen nach rechts, auf der malerischen Kirchgasse bergan. Immer wieder fordert uns die Gästeführerin heraus, wie jetzt an der Bergkirche. „Zu welchem Zweck wurde diese zusätzliche Außentreppe gebaut“? Wir geben Antworten, aber nicht die richtigen. „Wartet ab, nachher in der Kirche kommt ihr drauf.“

 

Wieder zückt sie einen Schlüssel, dieses Mal einen uralten, wie aus einem Märchen. Ja, das ist der Vorteil, wenn man an einer Führung teilnimmt. Es öffnet sich so manche Tür, die sonst verschlossen ist. Die wichtigsten Koordinaten: Barock, erbaut 1720 bis 1730, Hofkirche von Caroline von Zweibrücken, Orgel 1782. Die Herzogin ist damals eingesprungen, als der Kirchengemeinde das Geld für die prächtige Innenausstattung fehlte. Dafür hatte der Hofstaat seinen eigenen Eingang, durch den die Herrschaften direkt ins abgeschottete Chorgestühl verschwinden konnten. Auf einem Gemälde zeigt uns die Stadtführerin die Särge der beiden Fürstinnen, die in der Gruft begraben sind. Warum es in der Bergkirche eine vierteilige Sanduhr gibt, was die Namensschilder auf den Bänken bedeuten und viele weitere Fragen lassen Sie sich am besten bei Ihrer Führung durch Bad Bergzabern beantworten.

 

Lustig ist die kurze Einlage von Frau Stübinger-Kohls, mit der sie uns die für Bad Bergzabern legendäre Böhämmerjagd sehr anschaulich erklärt. Das hat was mit Blasrohren und Bergfinken zu tun. Ach ja, die Geschichte mit der Außentreppe: Die war für den Organisten, der durfte nur von außen die Empore betreten.

Weiter geht´s auf der Oberen Berggasse nach Westen. Plötzlich bleibt die Gästeführerin stehen. „Das hier ist der ökumenische Standort von Bad Bergzabern, von hier aus sehen Sie Kirchen aller Konfessionen“. Auch der Blick zurück auf die Bergkirche mit dem Fachwerk im Vordergrund ist ein Foto wert.

 

Wir kommen an die Stadtmauer und den Dicken Turm. Und wieder werden wir getestet, was unseren Sportsgeist entfacht: „Warum habt die Schießscharte im Dicken Turm eine so außergewöhnliche Form?“. Stimmt, sieht aus wie eine Schildkröte auf Rädern. Die Lösung kommt per Zeichnung. Die Landsknechte haben die so genannte Hakenbüchse eingesetzt. Diese war groß, schwer und breit, musste von zwei Soldaten bedient werden. Ihr Kommentar: „Getroffe hawwen die mit denne Dinger zwar nit, awwer Krach hawwen se gemacht!“ Schließlich haben wir erneut einen Diskurs darüber, ob die steinerne Kanonenkugel in der Stadtmauer tatsächlich echt sein kann“. Unser Wanderteam sagt „nein“.

 

Abwärts durch die Berggasse kommen wir rechterhand zur Augspurger Mühle. Als Stadtmühle 1430 erstmals erwähnt, seit 1881 im Besitz der Müller-Familie Augspurger, ist sie heute noch in Betrieb und wird immer noch zu 40 Prozent per Wasserkraft angetrieben. Romantisch sieht das Anwesen aus und, wie uns Frau Stübinger-Kohls versichert, sei die Inneneinrichtung noch viel romantischer.

Obere Berggasse – Fachwerk und Bergkirche

Der Marktplatz

Langsam peilen wir das Ende der Stadtführung an und nehmen Kurs auf den Marktplatz. Allein dort gibt es rundum sehr viele historische Gebäude und Besonderheiten zu entdecken. Zum Beispiel das Alte Rathaus mit dem Erker auf der Ecke zur Königsstraße mit dem Hinweis auf die Errichtung im Jahr 1705 und mit dem Barockportal mit toskanischen Säulen. Oder das Barock-Gebäude (1723) des Kunst- und Antiquitätenhändlers Wilms, das im Obergeschoß einen Zugang zur Marktkirche hatte.

 

In der Nische einer Hausecke versteckt sich der „Hamecker“, eine der Symbolfiguren der Stadt. Der blumengeschmückte Brunnen bietet uns auf dem breiten Rand des Sandsteinbeckens eine Sitzgelegenheit, der Löwe mit dem Stadtwappen schaut von oben auf uns herab.

Ende der kurzweiligen Tour am Marktplatzbrunnen: Jürgen und Gudrun

Der Marktplatz ist das Ziel unserer Tour und der Ort, an dem wir uns verabschieden.

 

Wir haben die Zeit mit Gudrun Stübinger-Kohls sehr genossen. Aus den geplanten 1 ½ Stunden sind fast 2 ½ Stunden geworden, die geradezu verflogen sind. Sie ist eine sehr charmante Person, hat einen angenehmen Humor. Wir haben unterwegs viel gelacht. Mit ihr hat unser Team einige uns bisher unbekannte idyllische Gassen und Anwesen kennen gelernt. Zum Abschied bekommt jeder von uns eine kleine Auswahl an Prospekten und ein kleines Präsent: Eine Karte als Hinweis auf die Mandelblüte an der Weinstraße mit einem Minipäckchen mit gebrannten Mandeln. Das passt zum sehr positiven Gesamtbild unserer Kultur- und Weinbotschafterin. Eine gute Wahl. Bis zum nächsten Mal.

© Text: Jürgen Cronauer © Fotos: Kuno Müller (1) und Jürgen Cronauer